Die achtteilige Schwarzweiß-Serie von Stefan Kuhn eröffnet dem Betrachter einen monumentalen Blick in die Welt des Hochgebirges. Kuhn konzentriert sich auf Berge inmitten eines rauen, hochalpinen Geländes – Landschaften, die in ihrer Ursprünglichkeit und Unnahbarkeit selten so eindringlich dargestellt wurden. Seine Fotografien verzichten bewusst auf jede ablenkende Farbigkeit und steigern dadurch das visuelle Gewicht der Formen, Linien und Strukturen. Schwarzweiß wird hier nicht zum nostalgischen Stilmittel, sondern zum instrumentellen Werkzeug, um das Wesen des Gebirges freizulegen.

Besonders prägnant ist das tiefe, fast samtige Schwarz des Himmels, das sich in allen Motiven wiederfindet. Dieser dunkle Himmel scheint die Berge nicht nur zu umrahmen, sondern sie gleichsam aus der Finsternis heraus entstehen zu lassen. In dieser radikalen Reduktion entsteht eine Bildwirkung, die sowohl dramatisch als auch meditativ ist. Der Betrachter spürt ein Gefühl von Weite – paradoxerweise hervorgerufen durch die Dichte und Schwere der Bildkompositionen. Der schwarze Himmel fungiert als Bühne, auf der die Bergmassive in ihrer ganzen Masse und Härte sichtbar werden.

Die Berge selbst erscheinen kontrastreich und klar modelliert, von tiefen Schattenrissen durchzogen, die ihre Struktur schärfen und ihre Präsenz verstärken. Licht und Schatten wirken wie gegeneinander gesetzte Kräfte, die das Gefüge des Gesteins in seiner natürlichen Strenge aufzeigen. Aus dem Schwarz heraus treten die Bergformen hervor, als würden sie sich aus einer elementaren Leere lösen. Dieser Effekt verleiht ihnen eine Aura des Gigantischen und Erhabenen. Die Motive sind nicht nur Landschaften, sondern fast archaische Erscheinungen, Symbole der Dauerhaftigkeit und des Widerstands.

Kuhn gelingt es, das Hochgebirge nicht als touristisches Idyll, sondern als existenziellen Raum darzustellen. Seine Serie konfrontiert den Betrachter mit der Erfahrung von Kleinheit und zugleich mit der Sehnsucht nach Weite. Diese Ambivalenz zieht sich durch alle acht Motive: Die Berge wirken zugleich unnahbar und vertraut, fremd und doch elementar menschlich in ihrer Fähigkeit, Emotionen hervorzurufen. Ihr Schweigen ist laut, ihre Masse spricht. Der Betrachter wird in einen Zustand stiller Aufmerksamkeit versetzt.

Der Eindruck des Erhabenen, der seit der Romantik untrennbar mit der Darstellung von Gebirgslandschaften verbunden ist, findet in Kuhns Arbeiten eine zeitgenössische Neuinterpretation. Die Bilder benötigen keine malerischen Nebeleffekte oder dramatischen Himmelsszenen. Ihr Pathos entsteht aus der radikalen Konzentration, der Strenge der Kontraste und der enormen Präsenz des Schwarz. So verwandelt sich das Hochgebirge in ein universales Motiv über Größe, Einsamkeit und die Kraft der Natur.

In der Summe bildet Kuhns Serie ein geschlossenes Werk, das die Grenzen zwischen Fotografie und bildnerischer Kunst verwischt. Die acht Schwarzweiß-Motive stehen wie Kapitel eines visuellen Essays, das die Sprache der Berge in Licht und Schatten übersetzt. Das Ergebnis ist ein imposanter, fast überzeitlicher Eindruck: gigantisch, erhaben und weit.

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